Vom rosa Elefanten – oder wie es zum Kaiserschnitt kam – Teil 1

…die zweite Schwangerschaft war eher wie ein Marathonlauf – nur ohne Zuschauer, die einen 42 km, äh 42 Wochen, eifrig anfeuern würden.

[bigletter custom_class=””]Meine zweite Schwangerschaft war eigentlich ein Traum, denn ich bekam sie in den ersten Monaten gar nicht richtig mit. Zu sehr war ich mit unserem ersten Sohn, bald drei Jahre alt, beschäftigt, der noch nicht in den Kindergarten ging und auf Grund seiner „Sturm- und Drangphase“ (ohne Mittagschlaf!) den ganzen Tag von früh bis abends beschäftigt werden wollte. Nur selten konnte ich meinen Gedanken nachhängen, mir über den Bauch streicheln und Kontakt zu meinem zweiten Baby aufnehmen. Ich hatte einfach keine Zeit mich richtig zu freuen, gespannt zu sein, jedem Arzttermin gespannt entgegen zu fiebern, Erinnerungszeilen in ein Buch zu schreiben oder Bauchfotos zu schießen… Habe ich die erste Schwangerschaft wie wahrscheinlich viele viel mehr genossen und auch zelebriert, ja, wurde ich sogar viel mehr umsorgt wie in einem Wellnessurlaub, stellte sich die zweite Schwangerschaft eher wie ein Marathonlauf dar – nur ohne Zuschauer, die einen 42 km, äh 42 Wochen, eifrig anfeuern würden. Besonders, als es gegen Ende doch noch beschwerlich wurde ob einer bleiernen Müdigkeit und dem wachsenden Bauch, habe ich mir doch das ein oder andere Mal diese Fürsorge von allen Seiten gewünscht, die in der ersten Schwangerschaft irgendwann manchmal nervte, weil sie zu viel des Guten war. Und dann waren es nur noch 10 Wochen bis zum errechneten Termin…[/bigletter]

Meine Frauenärztin erwähnte bei einem der letzten Termine ganz beiläufig, dass „er sich noch nicht gedreht“ hätte, aber „die im Marienhospital ja beides“ können. Wohl gemerkt, es war eine beiläufige Bemerkung, denn es hatte sich schon bei den vorherigen Terminen gezeigt, dass der Kleine im Bauch eher bewegungsfaul war und sich meistens in der gleichen Position beim Ultraschallshooting zeigte. Meistens bin ich sogar mit dem Satz aus der Praxis gegangen: „Sorry, leider habe ich heute kein Foto für dich“, denn der Kleine versteckte auch meist sein Gesichtchen. Ich fragte sodann auch eher beiläufig, was es denn heißen würde, wenn er sich gar nicht mehr drehen würde. Meine Frauenärztin, eine sehr empathische, aber auch ehrliche und direkte Person, meinte, dass eine Geburt in Beckenendlage kein Problem sein würde, sie mich dann aber zu gegebener Zeit in die Geburtsklinik für weitere Gespräche überweisen würde. Da war er das erste Mal, der rosa Elefant…

Genau vier Wochen später, zum nächsten Kontrolltermin bei der Frauenärztin, zeigte sich, dass sich der Kleine immer noch nicht gedreht hatte. Wir befanden uns bereits in der 34. Schwangerschaftswoche, so langsam war also Endspurt angesagt. Ich bekam die angekündigte Überweisung für das Krankenhaus, wo ich noch am gleichen Tag einen Termin für eine sogenannte „Risikosprechstunde“ machte.

Am Donnerstag, den 14. Februar, zu Valentinstag, wartete ich im Krankenhausflur neben dem Kreißsaal, wo ich bereits vor fast drei Jahren schon entbunden hatte, auf mein Gespräch mit einer der Ärzte. Nach unendlicher Wartezeit, denn in diesem Krankenhaus werden im Jahr etwa 2.000 Babies geboren und es herrscht quasi mehr oder weniger immer Hochbetrieb, kam die nette Ärztin und klärte mich über die sogenannte Beckenendlage auf. Natürlich hatte ich bis dahin auch schon Dr. Google gewälzt. Ich war sowohl darüber informiert, wie solche Geburten in Steißlage ablaufen könnten, als auch, dass immer häufiger zu Kaiserschnitten geraten wird, weil eine Studie einmal belegt haben wollte, dass Geburten in Beckenendlagen mit einem viel höheren Risiko für Mutter und Kind verbunden seien. Diese Studie hatte auch zur Folge, dass immer weniger Ärzte und Geburtshelfer darin ausgebildet wurden, die speziellen Handgriffe und Besonderheiten für eine Spontangeburt in BEL zu erlernen, sodass es ergo immer weniger Krankenhäuser gibt, in deren Geburtseinrichtungen Spontangeburten in Beckenendlage durchgeführt wurden.

Das Marienhospital in Bonn ist aber noch eines der wenigen Krankenhäuser, wo die Ärzte und Hebammen solche Geburten natürlich begleiten, mit der Betonung, dass es gerade Beckenendlagengeburten seien, bei denen so wenig wie möglich eingegriffen werden würde und im Idealfall alles ganz fließend und von allein gehen würde. Einzig eine PDA würde bereits von vornherein gelegt werden und es würde immer ein OP Team für einen Notkaiserschnitt bereitstehen. Bevor es aber überhaupt zu einer Geburt in BEL kommen könnte, bietet auch dieses Krankenhaus eine äußere Wendung an und zu Hause könne ich versuchen das Kind zur Drehung zu bewegen, in dem ich die „Indische Brücke“ mache oder meine Hebamme nach Akkupunktur und/oder Moxing fragen würde. Ich entschied mich an diesem Tag gegen eine „äußere Wendung“, denn mein Bauchgefühl sagte mir, dass es ja irgendeinen Grund geben würde, warum sich der Kleine in mir noch nicht in die „richtige“ Geburtsposition gedreht hatte und überhaupt:

 Wenn die Beckenendlage doch eigentlich nicht mehr oder weniger Risiken hat als eine Spontangeburt mit dem Kopf voran, warum dann die vorherigen angebotenen Versuche das Kind zu drehen, warum dann von vornherein schon einen Kaiserschnitt in Betracht ziehen? Hallo rosa Elefant, der zweite…

Ich fühlte mich von der Ärztin im Krankenhaus sehr gut beraten und aufgeklärt und entschied mich nach diesem Gespräch dafür, alles auf mich zukommen zu lassen und mich quasi vertrauensvoll in die Hände des Ärzteteams zu begeben und eine Spontangeburt in Beckenendlage zu probieren, wenn es denn so sein sollte. Das mit dem Moxing, der Akkupunktur und der „Indischen Brücke“ vergaß ich auch gleich wieder – was sollte das im Ernst bringen? Tief in mir drinnen regte sich auch irgendwie eine Stimme, die immer wieder ganz leise fragte: Sollte es wirklich soweit kommen?

In den nächsten Tagen machte ich mir dann doch sehr viele Gedanken – also nichts mehr mit einfach auf mich zukommen lassen, rosa Elefant sei Dank. Ich ließ meine bis dahin ja sehr unauffällig verlaufene zweite Schwangerschaft Revue passieren. Ein paar Besonderheiten hielt ich dabei im Kopf fest:

  1. Zu Beginn der Schwangerschaft war auf dem Ultraschallbild ein Hämatom zu sehen. Ein kleines Hämatom, das einfach so verschwunden war beim nächsten Termin. Ich hatte also weder Blutungen, noch deutete etwas auf einen Zwilling hin, noch war die Schwangerschaft tatsächlich gefährdet.
  2. Ich erinnerte mich an einen Traum ganz zu Beginn der Schwangerschaft, noch vor dem ersten Termin beim Frauenarzt. Ich träumte, dass ich mein kleines, ungeborenes Baby sah, wie es mich mit schmerzverzerrtem Gesicht anschrie. Das war schon echt etwas gruselig.
  3. Ich hatte eine Plazenta bipartita, wie beim Feinultraschall festgestellt wurde. Keine Komplikation, aber etwas, worauf bei einer Spontangeburt geachtet werden musste, um die Nachgeburt vollständig zu erhalten.
  4. Meine erste Geburt war nicht einfach und endete nach gefühlter Ewigkeit mit einer Saugglockengeburt – und das, obwohl mein Erster mit dem Kopf voran richtig lag. Irgendwie habe ich wohl doch ein unverarbeitetes Geburtstrauma erlitten.
  5. Die Meinungen und Äußerungen meines Umfeldes: „Oh, Beckenendlage? Das ist aber nicht so gut.“ „Hm, machst du dann einen Kaiserschnitt?“ „Also ich kenn‘ eine, die hatte auch Beckenendlage und dann wurde es ein Notkaiserschnitt!“ „Dreht er sich noch?“ „Hat er sich schon gedreht?“ Alles in allem wäre es im Nachhinein besser gewesen, hätte ich nichts über die Lage des Babies im Bauch gesagt, denn wie man sieht, war mein Umfeld genauso schlau wie ich: Beckenendlage ist irgendwie nicht normal und nun?

Über Karneval dann, der im Rheinland ja ordentlich gefeiert wird, hatte ich plötzlich meinen absoluten Tiefpunkt erreicht. Die ach so unkomplizierte Schwangerschaft – alles brach auf einmal auf mich herein. Ich verbrachte die Tage meistens im Bett, heulend, grübelnd, völlig fertig mit der Welt. Ich wollte niemanden sehen, war zu nichts im Stande und nur froh, dass sich mein Mann um meinen Sohn kümmerte. Plötzlich wusste ich nämlich überhaupt nichts mehr. Alles kreiste in meinem Kopf umher. Die Äußerung meiner Frauenärztin, mit der alles anfing, die Risikosprechstunde im Krankenhaus, um eigentlich einen Fahrplan und Sicherheit zu bekommen, die Meinungen meines Umfeldes, die Informationen aus dem Internet, die Erinnerungen an meine erste Geburt… Ich bekam eine gewisse Angst. Eine Angst um mich, eine Angst um das Ungeborene. Die oben genannten Besonderheiten mischten sich mit einem seltsamen Gefühl, das mich plagte. Irgendetwas klopfte im Inneren an die Tür meines Verstandes, zog alles in Zweifel und verunsicherte mich zutiefst. Ich konnte noch so rational denken und überlegt handeln, irgendetwas wollte mir etwas sagen…

Was ist, wenn ein Kaiserschnitt doch besser ist? Oder anders formuliert: Wenn alle sagen, dass du nicht an einen rosa Elefanten denken sollst, denkst du doch an einen rosa Elefanten!

Am Rosenmontag wachte ich dann morgens auf und wusste: Es wird ein Kaiserschnitt. Das ist jetzt das einzige, was uns noch retten kann. Das war sie, diese Erkenntnis, die mich aus dem tiefen Loch herausholte. Dieses Klopfen an die Tür meines Verstandes, dieses unbestimmte Gefühl, das sich in mir breit gemacht hatte und die ganze Zeit einen Ausweg durch die vielen Gedanken, Überlegungen, Daten und Fakten gesucht hatte: Es war mein Bauchgefühl! Und plötzlich war ich zutiefst entspannt. Ich fühlte mich tief in mir drinnen wie ausgewechselt: ausgeglichen, in mir ruhend, sicher, entschieden. Die Tränen vom Wochenende, alle Sorgen waren wie weggeblasen. Ich wusste, was zu tun war, zum Wohle meines ungeborenen Babies und mir.

Am Aschermittwoch hatte ich schon meinen nächsten Termin beim Frauenarzt und ich erzählte ihr von diesem Gefühl, von dieser Entscheidung, die ich beim Aufwachen am Rosenmontag hatte. Und für das, was sie mir daraufhin sagte, bin ich bis heute dankbar:

Das einzige, was zählt, ist das Gefühl der Mama, nichts anderes!

Sie warf dann noch einen Blick in den Geburtsbericht meines ersten Sohnes, um dort ggf. einen (medizinischen) Anhaltspunkt als Untermauerung meines Bauchgefühls zu erhalten und siehe da: Mein erster Sohn wurde sehr früh mit der Saugglocke aus dem Geburtskanal geholt, da sich seine Werte rapide verschlechtert hatten. Nicht erst am Ende oder als letzte Unterstützung, sondern früher, weil es einfach nicht mehr vorwärts gegangen wäre und dann wohl auch kein gutes Ende genommen hätte. Sie meinte, dass es schon eine Art Geburtstrauma ist, dass ich erlitten habe und mich diese Erinnerungen, wenn auch mehr unbewusst, bei einer Spontangeburt in Beckenendlage hemmen würden. Ich ging mit einem sehr zufriedenen Gefühl und einer Überweisung der Ärztin für das Krankenhaus aus der Praxis, dass ein Kaiserschnitt erwünscht sei.

Noch im Auto auf dem Parkplatz vor der Praxis rief ich im Krankenhaus an, um einen Termin zu machen, denn es waren nur noch drei Wochen bis zum errechneten Geburtstermin. Nach schier endlosen Minuten in der Warteschleife, in dem sich die Sekretärin mit einer Ärztin unterhielt, bekam ich die Nachricht: „Ihr Termin ist am Mittwoch, den 20. März.“ Frühlingsanfang. Ich ruhte in mir, war völlig entspannt und rief meinen Mann an. An meiner Stimme, die für ihn ganz anders als die letzten Tage war, wusste auch er, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte.

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Corinna D.

Vom rosa Elefanten – oder wie ich zum Kaiserschnitt kam – Teil 2

Am Ende zählt das Bauchgefühl, das, was die Mama sagt und fühlt und nichts anderes!

[bigletter custom_class=””]Auch über den Kaiserschnitt hatte ich schon viel gelesen. Ablauf, Risiken, Gründe usw. Es gibt ja nichts mehr, worüber man sich nicht mehr im Internet informieren könnte. Doch das alles war nicht mehr so wichtig wie mein Bauchgefühl, das mir die absolute Sicherheit gab, dass es alles so laufen würde, wie es vorgesehen war. Ja, es kam mir so vor, als wäre ich endlich im richtigen Film. Man könnte sogar von Schicksal reden. Der Traum zu Beginn der Schwangerschaft, die medizinischen Besonderheiten, die alle für sich genommen kein Risiko waren, aber in der Summe vielleicht schon und der unumstößliche Fakt, dass es einen Grund gegeben haben muss, warum sich der Kleine bis zuletzt nicht gedreht hatte, auch wenn man ihn medizinisch nie wird erklären können – alles hatte sich wie ein verlorenes Puzzle zu einem großen und ganzen Bild in einem festen Rahmen zusammengefügt.[/bigletter]

Kaiserschnitt

– so sollte es also kommen.

Die letzten Tage vor dem Termin verliefen sehr ruhig. Wir genossen noch ein gemeinsames Familienwochenende. Ich überprüfte noch einmal in Ruhe meine schon seit Wochen gepackte Kliniktasche und wurde mir bewusst, dass dies die letzten Tage und Stunden mit meinem Sohn und Mann zu dritt waren. Ab Mittwoch, den 20. März, würde sich unser Leben auf ein Neues auf den Kopf stellen.

Wir organisierten den Tagesablauf für den Tag vor dem Termin

Das war mir sehr wichtig – dass jetzt alles nach Plan lief, ohne Stress, besonders auch für meinen Sohn. Er sollte bei meinen Eltern übernachten, wir wollten einer Freundin noch zum Geburtstag gratulieren fahren und dann sollte mein Mann mich ins Krankenhaus fahren. Geplant, gesagt, getan. Der 19. März war ein herrlicher Frühlingstag mit Wärme und Sonne pur! Nachdem ich vormittags im Krankenhaus vorstellig geworden war und ich einen Haufen Papierkram unterschreiben musste – Aufnahmeanträge, OP-Verlauf und Risiken, Beratung und Ablauf über die Betäubung – konnte ich noch einmal raus und sollte erst am Abend wieder im Krankenhaus erscheinen. Wenn nichts mehr dazwischenkam, sollte ich am nächsten Morgen die erste sein: 08:00 Uhr, Kaiserschnitttermin, eine Woche vor errechnetem Geburtstermin. Dass es nur 5 Tage vor errechnetem Termin waren, mit dem Risiko, dass es ja hätte jederzeit noch vorher losgehen können, fanden wir im Nachhinein sehr gut, denn jeder Tag länger im Bauch, konnte nur gut für den Kleinen sein. Wer weiß, wann er sich denn tatsächlich selbst auf dem Weg gemacht hätte, vielleicht ja auch erst eine oder sogar zwei Wochen nach dem errechneten Termin? Wir werden es nie erfahren, aber es spielte keine Rolle mehr, denn mein Bauchgefühl gab mir immer noch die absolute Sicherheit darüber, dass alles gut gehen würde, dass es jetzt so und nicht anders sein sollte.

Ich bezog mein Krankenhauszimmer und erfuhr von der Schwester, dass ich morgens gegen 5 Uhr einen Einlauf bekommen würde, um den Darm zu reinigen und dass ich dann noch einmal duschen gehen könne und bis 7 Uhr fertig sein sollte. Ich war ein bisschen wie programmiert, aß in Ruhe mein Abendessen, machte mich bettfertig, schrieb noch mit meinem Mann und schlief relativ ruhig, sofern das in einem Krankenhaus überhaupt möglich ist. Auf der Station war es aber relativ ruhig, sodass ich nur selten von anderen Babies oder Türenknallen geweckt wurde. 

Morgens kam dann die Schwester und ich erhielt meinen allerersten Einlauf überhaupt. Es war gar nicht so schlimm oder schwer, wie ich mir das vorgestellt hatte. Danach duschte ich in Ruhe, wusch meine Haare, zog meine bereitgelegten Trombosestrümpfe und den Kittel an und war pünktlich kurz vor 7 Uhr fertig. Ich sah aus dem Zimmerfenster und sah meinen Mann, der eine letzte Nacht in Ruhe allein zu Hause verbringen konnte, da unser großer Sohn schon bei meinen Eltern war. Kaum, dass er auf meinem Zimmer war, kam auch schon eine Schwester und zusammen mit meinem Mann schoben sie mich nach unten durch die Krankenhausflure bis zum Kreißsaal. Alles lief völlig routiniert, geplant und pünktlich ab. Die Hebammen und Schwestern, alle waren pünktlich, alles lief tatsächlich einfach wie am Schnürchen ab. In einem Kreißsaal wurde mir von meiner Hebamme ein Blasenkatheter gelegt, was völlig kurz und schmerzlos war. Ich bekam einen Zugang auf dem Handrücken gelegt und vorsorglich schon eine Antibiotika Infusion, da bei mir bei einem Test bei der Frauenärztin Streptokokken B Bakterien festgestellt wurden. Ich lag in meinem Bett in dem warmen Kreißsaal, mein Mann neben mir und wir warteten. Die Uhr tickte langsam und dann war es schon kurz vor 8 Uhr. Wir wurden in den OP-Raum gebracht bzw. ich. Mein Mann sollte in einem Vorraum zurückbleiben, wo er Mundschutz und Kittel erhalten würde und warten musste, bis bei mir die Betäubung erfolgt sei. Dies war der allererste Moment, wo sich kurz ein Gefühl der Unsicherheit und Angst in mir breit machte, denn jetzt ging es wirklich los, jetzt gab es kein Zurück mehr. In den Augen meines Mannes sah ich die gleiche Angst. Wir flüsterten uns ein „Ich liebe dich“ zu und dann ging die Tür zwischen uns zu. Mein Mann sagte mir im Nachhinein, dass das Warten vor dem OP-Raum für ihn wie eine Ewigkeit war. In Wahrheit waren es nur 15 Minuten.

Im OP-Raum herrschte Hochbetrieb. So viele mit Mundschutz vermummte Personen waren darin beschäftigt, so viele, die sich mir mit guter Laune höflich vorstellten, dass ich einfach immer nur ein einfaches „Hallo“ herausbrachte und fasziniert und in mir ruhend einfach alles geschehen ließ. Zuerst wurde ich von meinem Bett auf die OP-Liege verfrachtet, auf die ich mich setzen sollte. Die Narkoseärzte und -helfer stellten sich vor und erklärten mir die nächsten Schritte. Sie waren alle so unglaublich nett und strahlten Ruhe und Sicherheit aus – was sollte schief gehen? Ich sollte mich zuallererst nach vorn beugen, eine Schwester oder auch die Hebamme stand vor mir und stützte mich an den Schultern. Der Narkosearzt setzte zunächst eine Spritze, die die Haut betäubte. Es piekte kurz. Danach legte er die Spinalanästhesie, wovon ich nichts mehr spürte außer einen leichten Druck. Das war der wichtigste und kritische erste Punkt, denn es durfte beim Stechen nichts daneben oder zu weit gehen. Alles lief glatt und ich wurde auf die OP-Liege gelegt. Ich wurde verkabelt und bekam Infusionen und dann kam schon der Chefarzt, stellte sich vor, der Sichtschutz wurde aufgebaut und mein Mann kam zu mir. Er setzte sich rechts von mir und die nächsten Minuten vergingen, indem überwacht wurde, dass die Betäubung wirkte und es mir gut ging. Am Bauch wurde ich wohl abgeklebt und eingepinselt, doch das sah ich nicht mehr. Ein erster Test des Anästhesisten erfolgte, in dem er mir eine kalte Flüssigkeit auf den Bauch und die Schultern sprühte und fragte, ob ich das noch spüren konnte. Ich spürte alles noch absolut!

Oh, das sollte aber nicht so sein

sagte er.Die Betäubung wirkte offenbar noch nicht und ich bekam kurz Panik, ob irgendetwas nicht stimmte. Dann verspürte ich aber ein leichtes Kribbeln in den Zehen wie Ameisen. Es ging los, die Betäubung setzte zu wirken ein. Dabei fiel mein Blutdruck und Puls dann auch soweit ab, dass mir etwas zur Kreislaufstabilisation gespritzt werden musste. All das nahm ich in diesem Moment nicht wirklich wahr. Ich fühlte mich im wahrsten Sinne wie betäubt, war benommen und verstand die Erklärungen der Ärzte, Schwester und meines Mannes nicht mehr wirklich. Verlor ich gleich das Bewusstsein? Zum Glück nicht. Mein Kreislauf stabilisierte sich wieder. Dann fragte der Anästhesist wieder, ob ich jetzt noch etwas spüren würde. Ich sah ihn an: „Was meinen Sie?“ Er sagte nur: „Okay, alles gut, Sie spüren nichts mehr, denn jetzt wurde Ihnen schon richtig weh getan.“ Aha. Ich sah meinen Mann an und in die vertrauenswürdigen Augen der lieben Schwester über meinem Kopf. Sie war es, die immer wieder ganz beruhigend auf mich einredete, genauso wie der Arzt links neben mir. Sie sagten mir, dass es jetzt losginge und dass ich ein Ruckeln spüren würde, aber sonst eigentlich nichts. Ich blickte immer wieder meinen Mann an, wir hielten ein bisschen small talk und zwischendurch ruckelte mein ganzer Körper etwas.

Und dann hatte ich mein Geburtserlebnis, wenn man es so nennen möchte. Ich spürte, ohne dass ich Schmerzen verspürte, dass jetzt mein Sohn aus meinem Bauch geholt werden würde. Es war ein Gefühl in mir. Kein Schmerz, keine Geräusche, es war das Gefühl, das genau in diesem Moment eine Trennung zwischen mir und meinem Baby im Bauch erfolgte. Meine Augen füllten sich mit Tränen und wie um sicher zu gehen fragte ich die Frau über meinem Kopf, ob es jetzt so weit sei und sie nickte nur. Es machte sich ein tiefes Glücksgefühl in mir breit, Tränen kullerten mir die Wangen hinunter und kurz darauf hielt der Chefarzt unser Baby kurz über den Sichtschutz und kurz darauf ertönte sein Schrei. Das war die Geburt! Es sind nur wenige Minuten vergangen, das war es schon! Der Kleine wurde sofort in die Hände des Kinderarztes gegeben und mein Mann durfte mit, um die erste Untersuchung des Kleinen durchzuführen. In der Zeit wurde ich wieder zugenäht, was am längsten von allem gedauert hatte. Und dann wurde mir der Kleine auf meine Brust gelegt und sie fragten uns, wie er heißen würde: „Aiden, das ist unser Aiden.“ Da war er. Quicklebendig, putzmunter, mit Topwerten – und sooo klein! Ich war irgendwie überwältigt und trotzdem noch so ruhig. Es war so anders als bei meiner ersten Geburt, wo alles nach endlosen Schmerzen und Warten noch so neu war. Hier war er einfach, unser zweiter Sohn. Die ganze OP hatte keine Stunde gedauert und schon 9 Uhr waren wir wieder in dem warmen Kreißsaal, wo wir die nächsten zwei Stunden zur Überwachung verbringen sollten, wo der Kleine gewogen und gemessen und angezogen wurde und wir dann die ersten Minuten zu dritt verbringen konnten. Die Betäubung ließ langsam nach, doch die Schmerzmittel wirkten und wir betrachteten unseren kleinen, zweiten Sohn, wie er friedlich in meinen Armen lag und auch die ersten Stillversuche machte. Wir waren glücklich, wir waren zufrieden, wir waren alle in uns ruhend. Wie, um mich noch einmal absichern zu wollen, fragte ich mich und dann meinen Mann, ob das jetzt so richtig war. Doch es war eher eine rhetorische Frage. Der optimale Verlauf der OP und dass es mir und meinem kleinen Schatz bestens ging bestätigten mein Bauchgefühl:

So und nicht anders sollte es kommen. Der Kaiserschnitt war die richtige Entscheidung.

Was ich nun von einem Kaiserschnitt halte? Ob ich einen Kaiserschnitt empfehlen kann?

Ich muss sagen, dass ich die OP erstaunlich gut überstanden habe, überdurchschnittlich gut. Noch am Abend der OP sollte ich das erste Mal aufstehen. Es war der Horror! Ich lief gebückt zur Toilette und zurück und war völlig fertig, doch laut der Schwester war ich sehr gut auf Trab. Auf Grund der Schmerzmittel hatte ich erträgliche Schmerzen, die Wunde verheilte sehr gut und zu Hause stellte sich heraus, dass ich schon sehr viel machen konnte. Viel mehr, als es die Hebamme gewohnt ist zu sehen, viel mehr, als ich selbst erwartet hätte und alles viel früher, als es normalerweise der Fall ist. Nach nun sechs Wochen spüre ich nur noch ein leichtes Taubheitsgefühl über der Narbe, die bei mir erstaunlich tief auf dem Schambein liegt. In wenigen Wochen könnte ich wohl wieder beginnen Sport zu treiben, doch dass ich schon in der ersten und zweiten Woche kleine Spaziergänge machen konnte, war schon mehr als erhofft und ich will auch nicht übertreiben.

Ich habe also auf der einen Seite sehr viel Glück gehabt, dass alles so glatt gelaufen ist und ich wohl ein geringes Schmerzempfinden bei extrem schneller Wundheilung habe, auf der anderen Seite weiß ich von vielen, dass sie sich nach einem Kaiserschnitt länger quälen, mehr Schmerzen haben oder Probleme mit der Narbe, dem Stillen usw. haben. Ich würde also insgesamt NIE einen Kaiserschnitt bevorzugen oder empfehlen! Ich habe nun zwei Geburten erlebt, eine Spontangeburt mit Komplikationen und einen Kaiserschnitt. Und unabhängig von dem Geburtserlebnis, das man mehr oder weniger bei einem Kaiserschnitt hat und egal, was man darüber denken mag, ob es gut für das Kind ist oder nicht per Kaiserschnitt geholt zu werden, bin ich der Meinung, dass der Geburtsschmerz leichter zu verarbeiten ist als die Schmerzen nach dem Kaiserschnitt. Mein Hauptargument liegt also bei den Schmerzen und das, obwohl ich nun sehr wenige Probleme damit hatte! Die Geburtsschmerzen, vor denen die meisten Angst haben, können lang oder kürzer sein und jeder empfindet Schmerzen individuell. Was man sich aber bewusst sein sollte, wenn man vielleicht selbst in der Situation sein sollte sich einen Kaiserschnitt oder nicht aussuchen zu können: Die Geburtsschmerzen sind in dem Moment, wo das Kind spontan geboren wurde, weg, egal, wie lang und intensiv sie zuvor waren. Man vergisst sie in dem Moment, ist überwältigt von Glückshormonen, auf jeden Fall überwältigt von körpereigenen „Drogen“ und Hormonen, die einen zunächst keine Schmerzen mehr spüren lassen. Die Schmerzen nach einem Kaiserschnitt, bei dem man eine Geburt UND eine große Bauch-OP über sich ergehen lässt, können noch Wochen andauern! Und sie sind, finde ich, auch deswegen schlimmer, weil man dann schon mit dem Baby im Arm damit klarkommen muss, dann, wenn man im Gefühlschaos ob der neuen Familiensituation sowieso schon oft genug an seine Grenzen stoßen wird, weil das Baby schreit, weint, nicht so schläft wie man selbst usw. Ich kam, kaum zu Hause, ohne Schmerzmittel aus, doch was ist, wenn man noch Tage und Wochen auf diese angewiesen ist, von Komplikationen ganz zu schweigen? Nein, ein Kaiserschnitt ist kein Zuckerschlecken, ist nicht einfach einmal eine OP, auch wenn sie nur noch eine Stunde dauert.

Bei einer Spontangeburt, wo das Kind richtig liegt und auch ansonsten eine völlig und absolut unauffällige Schwangerschaft vorangegangen ist, wird man nicht so über mögliche Risiken bei der Geburt aufgeklärt. Dann geht es irgendwann los und dann wird man schon sehen… Sobald auch nur irgendetwas nicht stimmt bzw. normal ist, geht die medizinische Maschinerie los und ich kann es niemandem verdenken, wenn er sich am Ende so verunsichern lässt, dass er sich für einen Kaiserschnitt entscheidet. So gesehen mag auch mein Bauchgefühl gar keines mehr gewesen sein, sondern vielleicht war es war am Ende das einzige, was mich gerettet hat. Es war mein Rettungsanker vor lauter Verunsicherung, vor lauter Meinungen und Ratschlägen. Wer weiß, ob es nicht auch so gut gegangen wäre, denken jetzt vielleicht manche. Wir werden es nicht mehr erfahren. Ich weiß, ich war und wurde blockiert, es einfach auf mich zukommen zu lassen – eine Schwäche? Mag sein, aber ich bereue diese Entscheidung keineswegs.

Am Ende zählt das Bauchgefühl, das, was die Mama sagt und fühlt und nichts anderes!

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Corinna D.